Bevor die Reise überhaupt beginnen konnte, hieß es zunächst einmal, sich um die Tickets zu kümmern – und das sollte sich als die schwierigste Herausforderung des gesamten Turniers herausstellen. Die Tickets wurden in mehreren Losverfahren vergeben, und das Ganze war ein echtes Glücksspiel. In der ersten Runde konnte man sich lediglich für die Austragungsorte bewerben, ohne zu wissen, welches Spiel man tatsächlich sehen würde. Also schickte ich Bewerbungen für sämtliche Spiele ab, in der Hoffnung, irgendwo ein Ticket zu ergattern. Die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten: Am Ende erhielt ich nur ein einziges Ticket für ein Spiel in München.
Doch das war noch nicht das Ende der Ticket-Odyssee. Nachdem die Gruppenauslosung stattgefunden hatte, gab es eine zweite Bewerbungsrunde. Nun wusste man bereits, welche Mannschaften in welchem Stadion aufeinandertreffen würden. Also ging es wieder von vorne los: Ich bewarb mich für alle möglichen Ansetzungen und hoffte, das Losglück diesmal auf meiner Seite zu haben. Doch erneut blieb die erhoffte Ticketflut aus. Dieses Mal konnte ich immerhin ein weiteres Spiel sichern – in Düsseldorf. Die Vorfreude stieg, auch wenn die endgültige Reiseroute noch weit entfernt von dem war, was ich mir ursprünglich erhofft hatte. Aber immerhin: Zwei Spiele in zwei verschiedenen Städten, der Anfang war gemacht.
Ich versuchte alles, um an weitere Tickets zu gelangen. Jeder Verband erhielt ein bestimmtes Kontingent für seine Spiele in der Gruppenphase, und beim DFB konnte man sich sogar als Nicht-Mitglied für einen Preis von 5€ für die interne Ticketvergabe anmelden. Das Geld war es mir wert – zumindest dachte ich das zu diesem Zeitpunkt. Doch was sich zunächst wie eine vielversprechende Möglichkeit anfühlte, entpuppte sich schnell als große Fehlinvestition. Über den DFB erhielt ich nämlich kein einziges Ticket. Zunächst hatten die Fanklubmitglieder ein Vorkaufsrecht, und als die nicht abgegriffenen Tickets für die breite Masse freigegeben wurden, waren sie leider längst ausverkauft. Wieder kein Glück. Für einen Moment fühlte es sich fast an, als hätte ich den großen Traum einer Europameisterschaftsreise begraben müssen. Die Enttäuschung war groß, eine Europameisterschaft im eigenen Land erlebt man jetzt nicht alle Tage, einen Monat vor dem Eröffnungsspiel hatte ich immer nur die zwei Tickets in der Tasche. Ein letzter Funken Hoffnung glimmte weiter in mir und es hat sich gelohnt dran zu bleiben. Denn je näher das Turnier rückte, desto mehr Tickets wurden wieder frei, und auch die Resale-Plattform der UEFA ging an den Start. So kamen in der Woche vor dem Turnierstart tatsächlich zahlreiche zusätzliche Tickets hinzu. Die Erleichterung war groß, und die UEFA Ticket-App füllte sich zusehends. Leider gab es keine Papiertickets, aber die App war übersichtlich, und zum Turnierbeginn hatte ich tatsächlich acht Spieltickets zugewiesen bekommen. Alle Austragungsorte, außer Leipzig und Berlin, wurden besucht. Eine unvergessliche Zeit konnte beginnen.
Tag 1 - 16.6.2024 - Gelsenkirchen
Serbien gg England - 0:1
Gruppe C - Arena AufSchalke - 48.953 Zuschauer
Der erste Stopp meiner Reise führte ins "Absolute Shithole" Gelsenkirchen. Zumindest, wenn man den englischen Fans Glauben schenkt, die in Massen angereist waren und nicht gerade begeistert von der Stadt im Ruhrgebiet schienen. Schnell wurde das „Drecksloch Gelsenkirchen“ zum geflügelten Wort dieser Europameisterschaft. Und als hätte das Wetter extra mitspielen wollen, startete diese Sommer-EM grau und kalt, mit Temperaturen nur knapp im zweistelligen Bereich. Dresscode? Winterjacke.
Das Spiel Serbien gegen England wurde von den deutschen Behörden als Hochrisikospiel eingestuft – was bedeutete: verstärkte Polizeipräsenz und ein Alkoholverbot im Stadionumfeld. Offiziell durfte man sein Getränk nicht mal mit auf die Tribüne nehmen, aber die Ordner sahen das eher entspannt bis gar nicht. In der Vergangenheit gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen serbischen und englischen Hooligans, weshalb man auf Nummer sicher ging. Im Stadtzentrum kam es zu ein paar kleineren Auseinandersetzungen mit einigen Festnahmen, rund ums Stadion blieb es aber ruhig. Generell war während des gesamten Turniers keine wirkliche Fantrennung erkennbar – die Stadionumläufe waren offen, jeder konnte sich frei bewegen. Auf den Rängen sah es dann aber immer gleich aus: Zwei Blöcke gehörten den jeweiligen Landesverbänden, der Rest war in den Händen neutraler Zuschauer – so wie mir.
Auf dem Platz setzten sich die Engländer mit 1:0 durch, dank eines Treffers von Jude Bellingham. Und dann passierte etwas, das unter normalen Umständen undenkbar gewesen wäre: Ein stimmgewaltiges „Hey Jude!“ hallte durch die Schalker Arena. Fangesänge für einen Ex-Dortmunder – auf Schalke. Die EM macht’s möglich.
Tag 2 - 17.6.2024 - Frankfurt am Main
Belgien gg Slowakei - 0:1
Gruppe E - Frankfurt Arena - 47.000 Zuschauer (ausverkauft)
Am zweiten Tag musste ich allerdings noch etwas lernen: Ich war viel zu früh am Stadion und stand mit Sicherheit noch eine Stunde vor verschlossenen Toren. Den Lerneffekt konnte ich dann bei den darauffolgenden Spielbesuchen spüren. Nachdem die Tore endlich geöffnet wurden, bot der Stadionumlauf in Frankfurt ein riesiges Angebot an Catering, und verschiedene Sponsoren verteilten kostenlos ihr Merchandising – ein Service, den man nicht in jedem EM-Stadion fand.
Das Spiel zwischen Belgien und der Slowakei war eher Magerkost. Romelu Lukaku schoss für die Roten Teufel zwei Tore, die beide vom VAR aberkannt wurden. Letztlich setzte sich die Slowakei überraschend mit 0:1 durch – dank eines frühen Führungstreffers.
Ein weiteres Highlight auf der Rückreise: Am Frankfurter Hauptbahnhof waren die Ampelmännchen im Fußballdesign gestaltet – eines dieser kleinen Details, die diese EM so besonders machten.
Tag 3 - 19.6.2024 - Hamburg
Kroatien gg Albanien - 2:2
Gruppe B - Volksparkstadion Hamburg - 46.784 Zuschauer (ausverkauft)
In Hamburg erlebte ich den EM-Tag, der mir mit Abstand am meisten in Erinnerung geblieben ist. Was für ein Tag! Schon am frühen Morgen war scheinbar die ganze Stadt auf den Beinen. Die Partie begann bereits um 15 Uhr, also machte ich mich gegen 9 Uhr auf den Weg ins Stadtzentrum – und lief auf der Reeperbahn direkt in eine kroatische Faninvasion. Die Kroaten waren bestens gelaunt, trällerten ihre Lieder und zündeten zwischendurch ein bisschen Feuerwerk. Genau das hatte ich in Gelsenkirchen und Frankfurt vermisst – dort spielte sich das Geschehen mehr rund ums Stadion ab, während man in den Städten selbst auf den ersten Blick kaum etwas von der EM mitbekam. In Hamburg war das anders. Schon am Hauptbahnhof wurde man von einem großen EM-Pokal begrüßt, und die ganze Stadt war im Turniermodus. Nach der kroatischen Invasion auf der Reeperbahn und einigen zur Volksmusik tanzenden Albanern war die EM-Stimmung perfekt.
Das Spiel selbst war dann ein absolutes Highlight. Das Volksparkstadion verwandelte sich in einen Hexenkessel – mit Abstand die beste Stimmung, die ich während dieser EM erlebt habe. Als Klaus Gjasula in der Nachspielzeit den 2:2-Ausgleich für Albanien erzielte, gab es kein Halten mehr. Ein absolutes Tollhaus! Besonders kurios: Noch in der 76. Minute hatte Gjasula mit einem Eigentor die kroatische Führung besorgt – jetzt wurde er zum gefeierten Helden. Ein intensives, umkämpftes Spiel mit einzigartiger Atmosphäre auf den Rängen. Unvergesslich.
Üblicherweise bringen Shuttlebusse die Zuschauer nach Abpfiff vom Volksparkstadion zum Bahnhof. Während der EM fielen diese jedoch weg, sodass alle Fans zu Fuß Richtung Stellingen marschierten. Dort mischten sich die Fangruppen beider Nationen zwangsläufig, aber es blieb absolut friedlich – ein Fußballfest, wie es sein sollte.
Für mich ging es anschließend nach St. Pauli auf das Heiligengeistfeld, wo das Fanfest stattfand und ich das Spiel zwischen Deutschland und Ungarn sehen wollte. Wegen des großen Andrangs verzögerte sich die Anreise etwas, aber Hamburg bot einen coolen Service: Auf den Bahnanzeigen der S-Bahn wurde statt des Fahrplans der Zwischenstand des Spiels angezeigt. Kurz vor der Halbzeit betrat ich dann das Fanfest und sah noch den 2:0-Sieg der deutschen Nationalelf. Public Viewing ist zwar nicht unbedingt mein Ding, aber gehört zur EM irgendwie auch dazu – oder?
Tag 4 - 21.6.2024 - Düsseldorf
Slowakei gg Ukraine - 1:2
Gruppe E - Düsseldorf Arena - 43.910 Zuschauer
Die kurze Anreise nach Düsseldorf legte ich mit der Deutschen Bahn zurück – und wie so oft bei der DB gab es hier kleinerei Probleme. Die direkte Strecke zwischen Köln und Düsseldorf war gesperrt, sodass die Züge über irgendwelche Nebenstrecken umgeleitet wurden. Das hatte unter anderem zur Folge, dass Turnierdirektor Philipp Lahm die Partie zwischen der Slowakei und der Ukraine verpasste und stattdessen auf einen Anschlusszug in Solingen warten musste. Ich selbst war wie immer früh unterwegs, also brachte mir die Umleitung zwar eine kleine Verzögerung ein, aber nichts Dramatisches. So früh erreichte ich den Düsseldorfer Hauptbahnhof, dass ich mir noch ein wenig die Stadt anschauen konnte, bevor es mit der Straßenbahn zur Arena ging.
In der Stadt war – abgesehen vom üblichen Fanfest – nicht viel geboten, und generell war nicht allzu viel los. Ein interessantes Detail gab es aber doch: In der Altstadt hatte der ukrainische Fußballverband eine kleine Ausstellung aufgebaut, die Teile des im russischen Angriffskrieg zerstörten Sonyachny Stadium aus Charkiw zeigte.
Das Spiel gegen die Slowakei gewann die Ukraine mit 1:2, und die Fans feierten den Sieg frenetisch und emotional. In der Presse wurde die ukrainische Nationalelf als Hoffnungsträger für ein ganzes Land bezeichnet – und die Atmosphäre im Stadion spiegelte genau das wider.
Was mir in Düsseldorf (und später auch in anderen Stadien) sauer aufstieß, war jedoch eine andere Sache: das Becherpfand-Geschäft. Nach den ersten Turniertagen hatte sich herumgesprochen, dass sich damit ordentlich Geld machen ließ. Bei der EM wurden für jeden Becher 5 € Pfand erhoben – die man bei Rückgabe logischerweise zurückbekam. Da Pfandsysteme in vielen Ländern aber nicht gängig sind, wurden unzählige Becher einfach stehen gelassen oder im Müll entsorgt. Natürlich sagt keiner was, wenn man nach Spielschluss ein paar Becher einsammelt – aber in Düsseldorf sah ich erstmals Gestalten, die schon vor Anpfiff mit Taschenlampen durch den Umlauf streiften und jeden Mülleimer ausleuchteten. Jungs, ernsthaft? Guckt Fußball...
Tag 5 - 22.6.2024 - Köln
Belgien gg Rumänien - 2:0
Gruppe E - Cologne Stadium - 42.535 Zuschauer
Die Europameisterschaft direkt vor der Haustür – die Partie in Köln zwischen Belgien und Rumänien war mein persönliches Heimspiel dieser EM. Ganz entspannt ging es mit der KVB-Linie 1 zunächst nach Deutz, um dort ein wenig die Stimmung in der Stadt einzufangen. Erst als ich nach einem Fußmarsch über die Hohenzollernbrücke die Domplatte erreichte, sprang der Funke über.
Eine riesige Invasion belgischer Fans, die keine weite Anreise nach Köln hatte, nahm die Fanzone am Heumarkt ein und ließ die Altstadt in einem Meer aus belgischen Fahnen, roten Rauchtöpfen und Bierbechern versinken. Die rumänischen Fans feierten hier noch eher im Verborgenen, doch im Stadion fand sich dann ein beachtlicher, gelb gekleideter Fanblock, der der belgischen Stimmung in nichts nachstand.
Extra für die Europameisterschaft wurde die Bahnhaltestelle am Stadion umbenannt – statt am üblichen, kommerziellen Stadionnamen stieg man nun an der Station 'Cologne Stadium' aus. Nach dem Turnier verloste die KVB die Schilder mit dem temporären Stadionnamen – eine kleine, aber nette Geste.
Das Spiel selbst gewannen die Belgier, angeführt von ihrem Kapitän Kevin De Bruyne, mit 2:0. De Bruyne persönlich sorgte in der 80. Minute für die Entscheidung und wurde von seinen Landsleuten mit Sprechchören gefeiert: "Oh oh Kevin De Bruyne!"
Dieses Spiel wird mir als mein persönliches EM-Heimspiel wohl noch lange in Erinnerung bleiben – wer weiß schon, wann man so etwas noch einmal erlebt?
Tag 6 - 25.6.2024 - München
Dänemark gg Serbien - 0:0
Gruppe C - Munich Football Arena - 64.288 Zuschauer
Die meisten EM-Stadien hatte ich natürlich schon in meiner Groundhopping-Statistik, aber in München konnte ich einen neuen Stadionpunkt mitnehmen. Denn in der Allianz Arena – oder der "Munich Football Arena", wie das Stadion zur EM hieß – hatte ich bisher noch nie ein Spiel gesehen. Während meiner München-Tour im Sommer 2022 blieb es bei einem Besuch der zweiten Mannschaft des FC Bayern im Stadion an der Grünwalder Straße. Die Allianz Arena blieb damals außen vor – auch weil es als Normalo ziemlich kompliziert ist, ein Ticket für ein Bayern-Spiel zu halbwegs bezahlbaren Preisen zu bekommen.
Die Partie zwischen Dänemark und Serbien war dann das erste Ticket, das ich mir bereits über ein halbes Jahr vor Turnierbeginn gesichert hatte. Der Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt konnte also schon lange im Voraus geplant werden.
Da der Anstoß des Gruppenspiels erst um 21 Uhr war, hatte ich den ganzen Tag Zeit, München zu erkunden. Zunächst ging es in den Olympiapark, wo ich mir für 3,50 € eine Eintrittskarte zur Besichtigung des Olympiastadions kaufte. Man durfte einmal über die Tribünen schlendern und den Flair von Olympia '72 spüren. Leider fanden gerade Auf- oder Abbauarbeiten für ein Konzert auf dem Rasen statt, was den Moment ein wenig zerstörte.
Vom Olympiapark ging es weiter zur Eisbachwelle, wo ich für ein paar Minuten den Surfern auf der Suche nach der perfekten Welle zusah. Mittlerweile war der Sommer in Deutschland angekommen, und in München stiegen die Temperaturen auf angenehme 28 Grad. Nach einem traditionell bayerischen Essen im Augustiner Brauhaus ging es dann mit der U-Bahn nach Fröttmaning zur Arena.
Was folgte, war leider ein unspektakuläres 0:0 zwischen Dänemark und Serbien. Von der Partie selbst blieb nicht viel hängen – außer dass Serbiens Sportlegende Novak Djokovic im Stadion war und, als er auf dem Videowürfel eingeblendet wurde, mehr Applaus bekam als die Spieler auf dem Platz.
Endgegner in München war dann tatsächlich der Heimweg. Sämtliche Zuschauer, die mit der Bahn angereist waren, mussten den gleichen Weg in Richtung U-Bahn nehmen – und genau das wurde zum Problem. Der Rückreiseverkehr von der Allianz Arena ist ohnehin berüchtigt, aber nach einem EM-Spiel mit vornehmlich Zuschauern, die keine Ortskenntnisse hatten, artete das Ganze noch mehr aus. Lange Wartezeiten, drangvolle Enge auf den Bahnsteigen und überfüllte Züge gehörten zum Standardprogramm. Wer nicht ewig anstehen wollte, musste entweder kreativ sein oder einfach Geduld mitbringen. Eine entspannte Rückreise sieht definitiv anders aus.
Tag 7 - 26.6.2024 - Stuttgart
Ukraine gg Belgien - 0:0
Gruppe E - Stuttgart Arena - 54.000 Zuschauer (ausverkauft)
Nach einer kurzen Nacht in München, bedingt durch die späte Anstoßzeit und die komplizierte Rückreise, sodass ich erst weit nach Mitternacht im Hotelbett lag, ging es nach einem schnellen Frühstück direkt weiter in Richtung Stuttgart. Zum Glück konnte ich nach einer kurzen Rücksprache mit meinem Hotel meinen Koffer schon weit vor der eigentlichen Check-in-Zeit dort deponieren und machte mich anschließend direkt mit der Bahn auf den Weg in die Stuttgarter Innenstadt.
Dort stand mein letztes Gruppenspiel auf dem Plan, zum dritten Mal sah ich die belgische Nationalmannschaft, die diesmal auf die Ukraine traf. Bevor es nach Bad Cannstatt ins Stadion ging, war natürlich die mittlerweile obligatorische Erkundung der Innenstadt angesagt. Viel hatte Stuttgart hier nicht zu bieten, einzig eine kleine Street-Food-Meile mit lokalen Köstlichkeiten weckte mein Interesse. Für einen erschwinglichen Preis gab es schwäbische Maultaschen mit Kartoffelsalat – solides Turnieressen.
Im Vergleich zum Spiel in Köln gab es in Stuttgart keine große belgische Faninvasion, auch größere Gruppen ukrainischer Anhänger waren im Stadtgebiet kaum auszumachen. Das Stadion war dennoch ausverkauft, aber als sich – wie schon am Vortag – ein zähes Spiel entwickelte, kippte auch die Stimmung auf den Rängen. Am Ende stand ein erneutes 0:0, das den Roten Teufeln zwar zum Einzug ins Achtelfinale reichte, bei den mitgereisten Fans aber alles andere als Euphorie auslöste. Nach Schlusspfiff stellte sich die belgische Mannschaft wie gewohnt vor ihrer Kurve auf, wurde dort jedoch lautstark ausgepfiffen. Daraufhin drehte Kapitän Kevin De Bruyne kurzerhand um und rief sein Team geschlossen von der Kurve zurück – eine deutliche Reaktion auf die Unmutsbekundungen der eigenen Anhänger.
Mit dem Abpfiff der Partie in Stuttgart endete für mich auch die Gruppenphase, doch ein Spiel stand noch auf dem Programm. Für ein Achtelfinale in Dortmund hatte ich noch Tickets – und hier sollte ich sogar die Deutsche Nationalmannschaft live erleben.
Tag 8 - 29.6.2024 - Dortmund
Deutschland gg Dänemark - 2:0
Achtelfinale - BVB Stadion Dortmund - 61.047 Zuschauer
Das Beste kommt zum Schluss. Der Last Dance meiner großen Europameisterschafts-Deutschlandreise fand in Dortmund statt. Als ich das Ticket bekam, stand noch nicht fest, welche Partie ich hier sehen würde. Man konnte aber auf ein Deutschlandspiel spekulieren, dafür musste die Nationalelf allerdings Gruppensieger werden. Und das stand im letzten Gruppenspiel lange auf der Kippe. Die Schweiz führte bis kurz vor Schluss mit 1:0, bevor Niklas Füllkrug in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielte und damit den Gruppensieg sicherte. Das Spiel verfolgte ich vor dem Fernseher und musste beim späten Ausgleich tatsächlich jubeln, zum Abschluss meiner Heim-EM sollte ich also als Höhepunkt noch die Heimmannschaft live sehen. Theoretisch wäre hier in Dortmund auch ein Duell zwischen Deutschland und England möglich gewesen. Dafür hätten die Dänen gegen Serbien nur ein Tor schießen müssen, was bekanntlich nicht klappte. So hieß der Gegner der Deutschen statt England eben Dänemark.
Gut gelaunt ging es mit der Bahn in Richtung Dortmund. Weit vor dem Anpfiff erreichte ich die Innenstadt und machte mich erst einmal auf den Weg in den Westfalenpark, um die Möglichkeit zu nutzen, die Aussichtsplattform des Florianturms zu besuchen. Gegen ein kleines Eintrittsgeld bekommt man hier einen hervorragenden Blick auf Dortmund – und auf das „BVB Stadion“, wie das Westfalenstadion während der EM hieß. Nächster Stopp war „Mit Schmackes“, das Restaurant von Kevin Großkreutz. Erwartungsgemäß war es hier sehr voll, aber auch ohne Reservierung bekam ich als Einzelperson noch einen Platz an der Theke und konnte mein Schnitzel genießen. Danach ging es weiter vor das Deutsche Fußballmuseum am Bahnhofsvorplatz, wo wenig später auch der Deutsche Fanbus vorfuhr und für Partystimmung sorgte – typische deutsche EM-Stimmung. Bis dahin spielte auch das Wetter mit: bestes Sommerwetter, warme Temperaturen. Doch das sollte sich später noch ändern.
Im Stadion befand sich mein Platz auf der Dortmunder Südtribüne, die während der EM bestuhlt war, da keine Stehplätze zugelassen waren. Das Spiel gewann Deutschland mit 2:0 und löste das Ticket fürs Viertelfinale. Doch in Erinnerung wird das Match vor allem wegen einer 25-minütigen Gewitterunterbrechung in der ersten Halbzeit bleiben. In der 35. Minute öffnete der Himmel seine Schleusen – Blitze und Donnerschläge kamen hinzu. Der Schiedsrichter zögerte nicht lange und unterbrach die Partie. Während der Zwangspause entstanden im Stadion ikonische Bilder: Von den Stadiondächern strömte das Wasser wie Wasserfälle auf die Tribünen. Erinnerungen wurden wach an die WM 1974, als es zur legendären Wasserschlacht von Frankfurt zwischen Deutschland und Polen kam. 50 Jahre später sind die Fußballplätze allerdings besser auf solche Wetterkapriolen vorbereitet, sodass die Drainage in Dortmund keine Probleme hatte, die Wassermassen unter Kontrolle zu bekommen. Nachdem das Gewitter abgezogen war, rollte der Ball wieder problemlos über den Rasen.
Das Achtelfinale in Dortmund markierte einen würdigen Abschluss meiner EM-Reise, geprägt von unvergesslichen Momenten. Eine großartige Zeit, die mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Die Heim-EM 2024 – und ich war mittendrin statt nur dabei.
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