Dienstag, 16. April 2019

Historische Grounds #03 - Jahnstadion in Mönchengladbach

Ein reines Fußball-Stadion ohne Laufbahn, dafür aber mit einer Tribüne und einem Stadionumlauf von Stehplätzen, welche nur von einem Zaun vom heiligen Rasen abgetrennt sind. In der heutigen Zeit eine wirkliche Rarität, doch vereinzelt findet man ihn doch noch, den klassischen Fußball-Ground. So auch in Mönchengladbach-Rheydt, wo mit dem Jahnstadion eine Fußballstätte steht, welche in den vergangenen Jahren zu einem Pflichtstopp für alle Groundhopper wurde. Doch die Tage des klassischen Jahnstadions scheinen gezählt, die Stadt Mönchengladbach plant seit Jahren einen Umbau, welcher laut aktuellen Informationen am Ende der Spielzeit 2018/19 beginnen soll. Das Jahnstadion soll dann Teil eines modernen Sportparks werden und droht dadurch sein nostalgisches Flair zu verlieren. Wir nehmen dies zum Anlass und werfen einen Blick auf die Geschichte des Stadions, welches vor fast 100 Jahren eröffnet wurde.
Am 22. September 1922 wird das Jahnstadion eingeweiht, Namensgeber ist die Jahnstraße (heute Jahnplatz), an welcher das Stadion erbaut wurde. Hausherr der Spielstätte war und ist bis heute der Rheydter Spielverein, wodurch das Jahnstadion über die Jahre auch unter den Namen "RSV-Stadion" bekannt wurde. Der Rheydter SV wurde bereits am 21. Dezember 1905 gegründet und anhaltende Erfolge der Fußballabteilung erhöhten die Rufe nach einer neuen Spielstätte. Spätestens als man 1921 und 1922 zwei mal in Folge die Rheingau-Meisterschaft gewann, ließ sich das Potenzial der Rheydter nicht mehr abstreiten. Die erste Saison im neuen Stadion krönte man dann nicht nur mit der dritten Rheingau Meisterschaft in Folge, sondern auch mit dem Gewinn des Rheingau Pokals. 1925 erhielt das Jahnstadion dann seine Tribüne, welche heute 800 Sitzplätze bietet und in der sowohl das Klubhaus als auch die Spielerumkleiden integriert sind.
Die erfolgreichste Zeit des Rheydter SV, der im Volksmund nur "Spö" genannt wird, brach dann Ende der 40er Jahre an. So gewann man 1947 und 1948 zweimal hintereinander die Bezirksmeisterschaft des linken Niederrheins, diese Erfolge nahm man zum Anlass das "RSV-Stadion" weiter auszubauen, so wurde das Fassungsvermögen von 25.000 auf über 30.000 erhöht. Und die Erfolge der Spö hielten an, die Saison 1949/50 beendet man als Meister der 2. Division West und stieg zusammen mit Fortuna Düsseldorf in die Oberliga West auf, damals die höchste deutsche Spielklasse. Die erste Spielzeit in dieser Liga überstand man problemlos, große Gegner gastierten im Jahnstadion unter anderem Schalke 04, Borussia Dortmund und der 1. FC Köln. Der RSV beendete die Saison auf Tabellenplatz neun und lag damit im gesicherten Mittelfeld, die darauffolgende Saison 1951/52 endete dann aber mit dem Abstieg. Es folgte ein Trainerwechsel zu einem gewissen Hennes Weisweiler, welcher den Rheydter Spielverein sofort zurück in die Oberliga führte. Diesmal blieb es nur ein kurzes Intermezzo im Fußball-Oberhaus und man stieg am Ende der Saison 1953/54 sofort wieder ab. Drei Spielzeiten verbrachte der RSV in der höchsten deutschen Liga, dort sollte man in der Vereinsgeschichte nie wieder hinkommen. Trotz des Abstiegs wurde das Jahnstadion 1954 erneut ausgebaut, nun sollten bereits über 35.000 Zuschauer Platz in der Rheydter Spielstätte finden. Später sollte das RSV-Stadion sogar offiziell bis 40.000 Menschen fassen können, ob das Stadion aber jemals ausverkauft war ist nicht überliefert. Nach dem Abstieg aus der Oberliga spielte der Spö noch bis 1960 in der zweiten Division, bevor man auch aus dieser Abstieg und sich zur Saison 1960/61 in der Verbandsliga wiederfand. Hier verbrachte man nun die kommenden 15 Jahre ohne große Highlights und der RSV verschwand langsam aber sicher von der großen Bildfläche. Allein 1970 konnte man sich für die Teilnahme an der Deutschen Amateur-Meisterschaft qualifizieren, scheiterte aber hier bereits in der ersten Runde an dem späteren Amateurmeister SC Jülich. Nach einer 1:0 Pleite im Hinspiel gewannen die Jülicher auch das Rückspiel im Jahnstadion souverän mit 0:3.
Am Ende der Saison 1974/75 stand der Rheydter Spielverein dann vor dem sportlichen Nichts, man stieg in die Landesliga ab, konnte sich aus dieser nur zwischenzeitlich wieder befreien. Man hing sprichwörtlich in der Luft, doch Mitte der 80er Jahre folgte eine Art sportlicher Relaunch, welcher 1986 mit dem Aufstieg in die Verbandsliga begann und ein Jahr später in einer Sensation gipfelte. Der Spö wird als Aufsteiger Meister der Verbandsliga und steigt in die drittklassige Oberliga Nordrhein auf und zeitweise schien es, als ob die Reise hier noch nicht zu Ende wäre. In der Saison 1989/90 duellierte man sich mit dem Wuppertaler SV lange Zeit um den Meistertitel und die damit verbundene Qualifikation zur Aufstiegsrunde für die 2. Bundesliga, am Ende fehlten den Rheydtern nur drei Punkte zu diesem Meisterstück. Nachdem man in den Jahren zuvor auch einiges an Zuschauerzuspruch verloren hatte, wurde es in dieser Zeit wieder richtig voll im RSV-Stadion. Zu den Spitzenspielen wie gegen die Wuppertaler sollen bis zu 20.000 Zuschauer im Stadion gewesen sein.
Den Aufstieg in die 2. Bundesliga verpasste man, doch der Vizemeistertitel bedeutete die Qualifikation zur erneuten Teilnahme an der Deutschen Amateurmeisterschaft, im Vergleich zur ersten Teilnahme spielte der RSV diesmal um den Titel mit. Nach Siegen gegen Bad Homburg und die Amateure vom Karlsruher SC zog der Spö in das Finale ein, jenes wurde im Vergleich zu den beiden Runden davor nur in einem Spiel entschieden. Das Los ergab, dass das Spiel in Salmrohr ausgetragen wird, die Rheydter hatten also keinen Heimvorteil und mussten sich schlussendlich auch hier mit dem Vize-Titel begnügen. Der FSV Salmrohr gewann das Spiel vor 3.000 Zuschauern mit 2:0.
Der Spö wurde über die Jahre fester Bestandteil der Oberliga Nordrhein, zwar spielte man zwischenzeitlich nur noch viertklassig nachdem man 1994 die Qualifikation für die neueingeführte Regionalliga verpasste, trotzdem stand am Ende jener Saison zumeist ein einstelliger Tabellenplatz zu Buche, in Abstiegssorgen geriet man in Rheydt nie. Am 25. Juli 2000 traf dann aber ein harter Schlag den Rheydter Spielverein, Kurt Kahle, der große Gönner und Geldgeber der Spö, kam zusammen mit seiner Familie beim Absturz der Concorde in Paris ums Leben, wie sehr der Verein von Kahles Geld abhängig war zeigte sich rund zwei Jahre später. Der Rheydter SV war zahlungsunfähig und musste beim Amtsgericht Mönchengladbach einen Insolvenzantrag stellen, dies führte zum Ausschluss aus der Oberliga Nordrhein nach dem 9. Spieltag der laufenden Saison 2002/03. Der Zwangsabstieg beendete die 16jährige ununterbrochene Oberligazugehörigkeit der Spö, in der ewigen Tabelle der Oberliga Nordrhein (2008 eingestellt) belegt der RSV den elften Platz.
Nach einer Einigung mit den Gläubigern konnten die Rheydter den Spielbetrieb 2003/04 in der Verbandsliga wieder aufnehmen, in der ersten Spielzeit rettete man sich mit Müh und Not vor dem Abstieg, eine Saison später war der Gang in die Landesliga nicht mehr zu vermeiden. Nachdem Abstieg bricht der Verein sportlich in sich zusammen, Trainer und sämtliche Spieler kehren der Spö den Rücken zu und ein Neuanfang misslingt komplett. Nach der Hinrunde der Landesliga Saison 2005/06 hat der Rheydter SV nur einen Punkt in der Tabelle, in der Rückrunde kann man die Bilanz zwar noch ein bisschen verschönern, aber der erneute Abstieg zum 100. Vereinsgeburtstag und damit verbundene Gang in die Bezirksliga ließ sich nicht mehr vermeiden. Die goldenen Zeiten in Rheydt waren vorbei, auch wenn man zwischenzeitlich nochmal in die Landesliga zurückkehrte, erholte sich die sportliche Situation der Spö bis heute nicht mehr. Einen letzten Tiefpunkt gab es, als man zur Saison 2015/16 in die Kreisliga abstieg, aktuell ist man immerhin zurück in der Bezirksliga.
Heutzutage kann man sich kaum vorstellen, dass der Rheydter SV in den 1940/50er Jahren der benachbarten Borussia aus Mönchengladbach den Rang ablief. Der Spö besiegte 1947 die Borussia im Endspiel um den Meistertitel des linken Niederrheins vor 20.000 Zuschauern im RSV-Stadion mit 1:0 und auch in den gemeinsamen Oberliga-Spielzeiten kamen mehr Zuschauer zum RSV als zur Borussia. Verschiedene Quellen sagen, dass die Oberligaspiele in Rheydt durchschnittlich von über 17.000 Menschen live vor Ort verfolgt wurden, während zur Borussia nur knapp 15.000 Zuschauer kamen. In den folgenden Jahren wurde die Borussia dann aber die eindeutige Nummer 1 am Niederrhein, trotzdem kreuzte sich der Weg beider Vereine im Laufe der Jahre erneut, wenn auch nicht mehr auf dem Rasen.
Als der Spö 1905 gegründet wurde, war Rheydt noch eigenständig, zwischen 1929 und 1933 war man schon mit dem damaligen München-Gladbach zu Gladbach-Rheydt vereinigt, doch auf Veranlassung des gebürtigen Rheydter Reichspropagandaministers Joseph Goebbels wurde diese Vereinigung schnell wieder aufgehoben. Aus München-Gladbach wurde 1950 zunächst Mönchen Gladbach, seit 1960 dann das heute gebräuchliche Mönchengladbach. Am Neujahrstag 1975 wurden dann Mönchengladbach und Rheydt (mit Wickrath kam noch eine dritte Gemeinde hinzu) erneut vereinigt. In der Bevölkerung entstand eine Diskussion über den zukünftigen Namen der neuzusammengeführten Stadt, Rheydt und Möchengladbach waren gleich groß und hatten auch ungefähr die selbe Einwohnerzahl. Gerüchten zu Folge wählte man dann den Stadtnamen Mönchengladbach, da die Borussia zu diesem Zeitpunkt für internationale Furore sorgte und so dem Namen Mönchengladbach weltweite Bekanntheit versprach. Rheydt ist also seit dem nur noch ein Stadtteil von Mönchengladbach.
Bundesligaluft durfte der RSV nie schnuppern, das Jahnstadion aber sehr wohl und das dank der Borussia. Während deren Heimstätte der Bökelberg in der Saison 1977/78 renoviert wurde, trug man seine Heimspiele in Düsseldorf aus, das Spiel gegen die dort ansässige Fortuna wollte man dann verständlicherweise an einem anderen Ort austragen. So trafen Borussia Mönchengladbach und Fortuna Düsseldorf am 25. März 1978 zum 26. Spieltag der 1. Bundesliga im Jahnstadion aufeinander, vor 27.000 Zuschauern siegte die Fohlenelf mit 3:2. Das RSV Stadion hatte also Bundesligaluft geschnuppert, später sollte dann eine Zeit lang ein Stück Bundesliga-Geschichte das Stadion in Rheydt zieren. 1993 wurde im Bökelberg-Stadion die alte Anzeigetafel ausgetauscht und durch eine neue ersetzt, die alte Tafel hatte aber noch nicht ausgedient und wurde zur Saison 1993/94 im Jahnstadion installiert. Dort stand sie bis 2010, bevor der RSV die Tafel auf Grund der finanziellen Situation wieder an die Borussia zurückverkaufte. Danach wurde die Tafel bis 2017 im direkt benachbarten Grenzlandstadion zwischengelagert, seit 2017 steht die alte Anzeigetafel im neueröffneten Borussen-Museum.
So blickt das Jahnstadion heute auf eine bewegte Geschichte zurück, die zumindest in der jetzigen Form bald ein Ende haben könnte. Es ist kein Geheimnis, dass es viel Arbeit ist eine solch große Anlage in Schuss zu halten. Verantwortlich als Eigentümer ist die Stadt Mönchengladbach und trotz ehrenamtlicher Helfer des RSV scheint der schon lange geplante Umbau des Stadions nun Wirklichkeit zu werden. Auf der Facebook-Seite des Rheydter SV spricht man davon, dass am Ende der Saison 2018/19 der Umbau beginnen soll. Dies scheint auch nötig zu sein, denn in der aktuellen Bezirksliga-Saison (2018/19) kam es mehrfach zu Problemen mit der Anlage. Größtes Problem war die Flutlicht-Anlage, welche immer wieder den Geist aufgab, so kam es im Oktober 2018 zu einem skurrilen Vorfall, der wohl ein Unikat im Deutschen Fußball darstellen dürfte. Als die Flutlicht-Anlage bei einem Liga-Spiel nach 10 Minuten ausfiel, wurde die Partie gegen Viersen im Grenzlandstadion fortgesetzt. Ein Stadionwechsel im laufenden Spiel, solche Geschichten schreibt wirklich nur der Fußball. So leid es einem tut, auch wenn das Jahnstadion seinen klassischen Stil durch den Umbau verlieren wird, für den Rheydter SV ist dies wohl die beste Lösung den Spielbetrieb an diesem Ort aufrecht zu erhalten. Zum Abschluss noch ein paar Fotoaufnahmen des Jahnstadions, diese entstanden am 5. September 2018 während eines Bezirksliga-Spiels des RSV.

Der Rheydter Spielverein ist Hausherr im Jahnstadion
Das Jahnstadion ist auf Grund des Heimatvereins
auch als RSV-Stadion bekannt
Eröffnet wurde der Ground im September 1922
Bis zu 40.000 Zuschauer fanden hier Platz,
in den letzten Jahren fasste das Stadion noch 20.000 Menschen
Das Jahnstadion steht im Mönchengladbacher Stadtteil Rheydt,
zum Zeitpunkt der Vereinsgründung war Rheydt noch eigenständig
Ein Blick auf die Gegengerade
Diese könnte schon bald wegfallen, da die Stadt Mönchengladbach
das RSV Stadion in einen neuen Sportpark integrieren will
Der gesamte Stadionumlauf besteht aus Stehrängen
Ein Zaun trennt das Spielfeld von den Zuschauerplätzen ab
Neben der Haupttribüne befinden sich ebenfalls Stehplätze
Über die Jahre sind die Stehränge
von starken Graswuchs heimgesucht wurden
Bis auf ein wenig Rost ist das Stadion in einem sehr guten Zustand
Der Auswärtsblock...
... wurde vorallem zur Oberligazeit der "Spö" benötigt
Für die Spiele in der Bezirksliga wird dieser nicht benötigt
und der Stadionumlauf ist geöffnet
Ein Blick durch den Zaun auf das Spielfeld,
im Hintergrund erkennt man die Tribüne

Die Tribüne besteht ausschließlich aus Sitzschalen...
... und befindet sich in einem bemerkenswert gutem Zuststand
Das Vereinslogo des Rheydter SV ziert die Tribüne
Die Tribüne soll laut akutellem Stand vom geplanten Umbau
nicht betroffen sein und weiter erhalten bleiben

Dies war der dritte Teil unserer Serie über historische Fußballstadien, zuvor blickten wie bereits auf das mittlerweise abgerissene Stadion am Hermann-Löns-Weg in Solingen, sowie das Röntgen Stadion in Remscheid. Vorraussichtlich wird es in den nächsten Monaten noch zwei weitere Beiträge über Stadien geben. Folgt mir bestenfalls auf Twitter und erfahrt dort sofort wenn ein neues Feature erscheint.

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