Dienstag, 21. Mai 2019

Historische Grounds #04 - Westkampfbahn in Düren

Es gibt Fragen in der Welt des Fußballs auf die es scheinbar keine eindeutige Antwort gibt. So streiten sich Vereine, Journalisten und sonstige Experten darüber, wo in Deutschland das Stadion mit der ältesten Tribüne steht. Autor Werner Skrentny ernennt in seinem Buch "Es war einmal ein Stadion" die Holztribüne in der Dürener Westkampfbahn zu der ältesten noch vorhandenen "Fußball"-Tribüne. So gibt es im Weinaupark-Stadion im sächsischen Zittnau eine Tribüne, die bereits 1894 erbaut wurde, allerdings zunächst nur für Bahnradsport-Veranstaltungen genutzt wurde, das erste Fußballspiel fand dort erst 1919 statt. Zu diesem Zeitpunkt wurde in der Westkampfbahn im nordrhein-westfälischen Düren bereits fünf Jahre Fußball gespielt. Am 9. August 1914 wurde die Spielstätte, auf Grund des kurz zuvor ausgebrochenen ersten Weltkrieges in einem kleinen Rahmen eröffnet. Der 1899 gegründete SC Germania 99 Düren bekam mit der Westkampfbahn zum 15-jährigen Vereinsbestehen sein eigenes Stadion, welches zu diesem Zeitpunkt das größte seiner Art in Westdeutschland war.
Allerdings spielte Fußball im Vereinsleben der Germania zunächst nur eine Nebenrolle, sportliche Erfolge feierte man in anderen Sportarten. 1927 gab es einen ersten Ausbau der Westkampfbahn, das Eröffnungsspiel in der nun vergrößerten Spielstätte bestritt die Germania vor 2.500 Zuschauern gegen Schwarz-Weiß Essen und verlor mit 4:7.
Mit dem Dürener Sportclub 03 hatte sich ein weiterer Verein finanziell am Ausbau der Westkampfbahn beteiligt, sowohl der Dürener SC also auch Germania 99 hatten ihre Mittel aber überschätzt und drohten in den Konkurs zu gehen. Daraufhin gab es die erste Fusion zweier Dürener Vereine, viele weitere sollten noch folgen. Aus der SC Germania Düren und dem Dürener Sportclub 03 wurde am 8. August 1935 die SG Düren 99, nur noch die 99 erinnerte an das Gründungsjahr des Stammvereins Germania. Mit der Fusion verschwand der Fußball erstmal aus der Westkampfbahn, der neugegründete Verein trug seine Spiele bis zum Ende des zweiten Weltkrieges im Stadion am Obertor aus. In dieser Zeit spielten die Dürener zwischenzeitlich in der Gauliga Mittelrhein (während des Krieges Gauliga Köln-Aachen), der damals höchsten deutschen Spielklasse. Größter Erfolg war die Vizemeisterschaft in der Saison 1943/44 hinter der Kölner Spielgemeinschaft VfL 1899 / SpVgg Sülz, es war zeitgleich die letzte Spielzeit der Gauliga. Am 16. November 1944 bombardierten 474 Flugzeuge der britischen Luftwaffe die Stadt Düren und warfen dabei Spreng- und Brandbomben mit einem Gesamtgewicht von knapp 2.750 Tonnen über der Stadt ab. Es gab 3.126 Tote und die Innenstadt von Düren blieb komplett zerstört zurück, die Westkampfbahn und deren Holztribüne war zwar stark beschädigt, blieb aber erhalten. In der Vereinschronik der Dürener spricht man von einem Bombentrichter und 30 Granatlöchern auf dem Spielfeld und der Tribüne, im Vergleich mit dem Rest der Stadt ein geringer Schaden, der relativ schnell behoben werden konnte. Ab 1946 wurde der Spielbetrieb der SG Düren 99 dann in der Westkampfbahn wieder aufgenommen, welchen man mit der sofortigen Mittelrheinmeisterschaft krönen konnte. Ab der Saison 1949/50 wurde das Deutsche Ligensystem mit Einführung der erstklassigen Oberliga und der II. Division neu strukturiert. Durch eine erneute Mittelrheinmeisterschaft im Jahr 1950 stieg die SG Düren 99 zur Saison 1950/51 in die zweitklassige II. Divison West auf und verbrachte hier neun Spielzeiten, bis man Ende der Saison 1958/59 wieder abstieg. Über die Jahre kam es hier zu Duellen unter anderem mit Bayer Leverkusen, Union Ohligs, SG Wattenscheid 09, Rot-Weiß Oberhausen, VfL Bochum und Borussia Mönchengladbach.
Das größte Spiel der Vereins- und wohl auch der Dürener Fußballgeschichte erlebte die Westkampfbahn aber am 2. August 1954, als die SG Düren erstmals am DFB Pokal teilnahm. 15.000 Menschen stellten einen bis heute gültigen Zuschauerrekord in der Dürener Spielstätte auf und sahen eine 2:5 Niederlage der Heimmannschaft gegen den 1. FC Kaiserslautern, der mit insgesamt fünf frisch gebackenen Weltmeistern auflief. Fritz Walter, Ottmar Walter, Werner Kohlmeyer, Werner Liebrich und Horst Eckel waren rund einen Monat vor dem Spiel in Düren Mitglieder der Nationalmannschaft, die in der Schweiz das Wunder von Bern ermöglichten und Deutschland erstmals zum Weltmeister machten. Vier Jahre später stand mit Karl-Heinz Schnellinger auch ein Spieler der SG Düren im Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft für die damalige Weltmeisterschaft in Schweden.
Aus Vereinssicht folgte 1959 der Abstieg aus der II. Division in die Verbandsliga Mittelrhein, die Highlights in der Westkampfbahn wurden weniger. Für Furore sorgte der Verein nochmals im Westdeutschen Pokal Wettbewerb, der damaligen Qualifikation für den DFB Pokal. 1964 schaltete man hier zunächst Borussia Mönchengladbach und Fortuna Düsseldorf aus, in der letzten Runde gastierte die Alemannia aus Aachen in Düren. Am 27. Dezemeber musste sich die SG Düren aber vor 9.000 Zuschauern mit 0:4 geschlagen geben und verpasste dadurch eine zweite Teilnahme im DFB Pokal. Diese konnte der Verein erst 1988 durch einen Sieg im Mittelrheinpokal realisieren, leider habe ich keinerlei Quellen zum damaligen Finalgegner gefunden. Im DFB Pokal bekam man schließlich den damaligen Zweitligisten Kickers Offenbach zugelost und verlor die Erstrundenpartie mit 1:3 vor "nur" 1.500 Zuschauern in der Westkampfbahn. Zuvor hatte die SG Düren 99 zwischen 1984 und 1986 drei Spielzeiten in der drittklassigen Oberliga Nordrhein verbracht. Das Spiel gegen Offenbach im DFB Pokal sollte aber das letzte Highlight für viele Jahre sein, 1993 musste man den Gang in die damals noch fünftklassige Landesliga antreten. Sportlich ging es in den folgenden Jahren nur noch bergab, so entschloss man sich zu einem drastischen Schritt. Im Juni 2001 fusionierte die SG Düren 99 mit den Lokalrivalen von Schwarz-Weiß Düren zur SG Schwarz-Weiß Düren 99. Gleichzeitig gab es auch die dringend nötig gewordene Renovierung der Westkampfbahn, der neugegründete Verein konnte dadurch den Spielbetrieb an der Mariaweilerstraße aufrechterhalten. Das Jugendstadion der Schwarz-Weißen, welches ebenfalls eine Holztribüne besitzt (siehe Anhang), wurde daraufhin vorübergehend nicht mehr bespielt. Vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass die Fusion der beiden Vereine nach nur sechs Jahren wieder rückgängig gemacht wurde. Sportlich schaffte man zwar die Rückkehr von der Bezirksliga in die Landesliga, andauernde Streitigkeiten in der Vorstandsebene beendeten dann aber das kurze Kapitel der SG Schwarz-Weiß Düren 99. Für die wieder eigenständigen  99er ging es daraufhin runter bis in die Kreisliga B. Nicht nur sportlich ging des den Dürenern schlecht, auch die Holztribüne der Westkampfbahn war in die Jahre gekommen, galt als einsturzgefährdet und musste zeitweise für Publikum komplett gesperrt werden.
Mit Helmut von den Hoff hatten die Dürener aber einen Gönner und Fan aus der Region. Der Gründer eines Bedachungsgroßhandel spendete dem Verein das Holz für die Sanierung, die Neueröffnung der Tribüne erlebte der 2010 verstorbene Unternehmer leider nicht mehr mit. Seit 2012 trägt die nun in neuem Glanz erstrahlende 25 Meter lange Tribüne den Namen ihres Gönners: Helmut von den Hoff-Tribüne. Auch einen weiteren Wunsch erfüllte man von den Hoff, eine erneute Fusion zweier Dürener Vereine. Die SG Düren 99 tat sich diesmal mit dem GFC Düren 09 zusammen und wurde zur SG GFC Düren 99. Im Jahr 2014 kam es zu einer weiteren Sanierung in der Westkampfbahn, unter anderem wurde diesmal ein zusätzlicher Kunstrasenplatz installiert, der Hauptplatz bekam einen neuen Rasen inklusive Drainage, außerdem wurde die mittlerweile nicht mehr genutzte und kaum noch sichtbare Laufbahn entfernt. Die Geschichte des SG GFC Düren begann 2011 in der Bezirksliga, 2015 schaffte man praktisch mit Fertigstellung der sanierten Westkampfbahn den Aufstieg in die Landesliga. Nach drei Spielzeiten wurde man auch Meister der Landesliga und schaffte damit den Aufstieg in die fünftklassige Mittelrheinliga, hier trat man aber unter neuem Vereinsnamen an.
Im November 2017 gründete sich der 1. FC Düren und übernahm zunächst die Fußballabteilung des FC Düren-Niederau, welche genau wie der GFC in der Landesliga spielte. Im April 2018 wurde dann auch die Übernahme der 99er offiziell, beide Stammvereine spielten die Landesliga-Saison aber noch unter ihren alten Namen zu Ende. Die SG GFC wurde bekanntlich Meister, Niederau fand sich auf dem dritten Tabellenplatz wieder. Seit der aktuell laufenden Saison 2018/19 darf der neugegründete 1. FC Düren somit also in der Mittelrheinliga antreten und will den Glanz alter Tage zurück in die Westkampfbahn holen, als Fernziel gab man zunächst den Aufstieg in die Regionalliga West aus. Als Vereinsfarben wählte man blau-gelb in Anlehnung an den argentinischen Verein Boca Juniors. Während die 1. Mannschaft in der Westkampfbahn spielt, kickt die 2. Mannschaft des 1. FC Düren in der Landesliga auf dem Kunstrasenplatz in Niederau.
Das erste Highlight der jungen Vereinsgeschichte gab es am 1. Mai 2019 als man im Halbfinale des Mittelrheinpokals vor 5.900 Zuschauern in der Westkampfbahn auf Alemannia Aachen traf und mit 0:2 verlor. Extra für dieses Spiel wurden hinter den Toren zwei Zusatztribünen mit jeweils 516 Plätzen installiert. Gleichzeitig präsentierte man hier auch die neue Vereinshymne, in welcher die Westkampfbahn in einer Strophe besungen wird.
Zum Schluss noch ein paar Fotoimpressionen der Westkampfbahn, diese sind am 2. April 2019 entstanden.


Die Dürener Westkampfbahn
Übersicht des 1914 eröffneten Stadions
Heute ist die Westkampfbahn Teil eines großen Sportparks
Herzstück der Spielstätte ist die überdachte Holztribüne
Die Tribüne wurde über die Jahre mehrfach saniert und befindet sich
in einem hervorragendem Zustand
Seit 2012 ist es die Helmut von den Hoff-Tribüne
Ein Tafel erinnert an den 2010 verstorbenen Unternehmer aus Düren,
welcher Zeit seines Lebens nicht nur der große Gönner sondern auch
leidenschaftlicher Anhänger des Dürener Klubs war
250 Zuschauer finden auf Holzbänken einen Platz
Über zwei Treppen erfolgt der Zugang auf die Tribüne
Rund 100.000€ soll die Sanierung der Tribüne gekostet haben
Die Holztribüne wurde über die Jahre zu einem
beliebten Stopp für Groundhopper
Insgesamt acht Sitzreihen befinden auf der Tribüne
Noch ziert das alte Vereinslogo des GFC Düren 99 die Tribüne
Die Eckfahnen tragen schon die Vereinsfarben des neugegründeten
1. FC Düren
Rechts und links neben der Tribüne befinden grasbewachsene Stufen
Offiziell fasst die Westkampfbahn bis zu 6000 Zuschauer
In den Anfangsjahren der Westkampfbahn befand sich um den
Rasenplatz noch eine Aschelaufbahn, diese ist nach den
Sanierungen nicht mehr vorhanden
Die Gegengerade ist nicht ausgebaut...
... und von einem Graswall umgeben
Einer letzter Blick auf die älteste (?) Fußballtribüne in Deutschland

Düren wird auch gerne als das "Mekka der Holztribünen" bezeichnet. Etwa fünf Autominuten von der Westkampfbahn entfernt steht im Stadtteil Rölsdorf das Jugendstadion von Schwarz-Weiß-Düren. Dieses wurde im August 1921 eingeweiht, also rund sieben Jahre nach Eröffnung der Westkampfbahn. Auch das Jugendstadion überstand die Bombenangriffe auf Düren im zweiten Weltkrieg zwar nicht schadlos, konnte aber wieder hergerichtet werden und ab 1948 fanden im Jugendstadion wieder Fußballspiele statt.
Die Tribüne steht heute unter Denkmalschutz, was bei der Holztribüne in der Westkampfbahn nicht der Fall ist. Der Hauptplatz im Jugendstadion wird seit der Eröffnung eines direkt anliegenden Kunstrasenplatzes im Jahr 2015, mittlerweile kaum noch bespielt.


Dies war der vierte Teil unserer Serie über historische Fußballstadien, zuvor blickten wie bereits auf das mittlerweise abgerissene Stadion am Hermann-Löns-Weg in Solingen, das Röntgen Stadion in Remscheid, sowie kürzlich auf das Jahnstadion in Mönchengladbach. Vorraussichtlich wird es in den nächsten Monaten noch einen weiteren Beitrag zu einem Stadion aus Nordrhein-Westfalen geben. Folgt mir bestenfalls auf Twitter und erfahrt dort sofort wenn ein neues Feature erscheint.

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