Dienstag, 23. März 2021

Historische Grounds #07 - Waldstadion am Erbsenberg in Kaiserslautern

Kaiserslautern kann ohne Zweifel als Fußballstadt bezeichnet werden, das gesamte Stadtbild wird überragt vom legendären Betzenberg auf dem das Fritz-Walter-Stadion steht. Dort ist der viermalige Deutsche Meister 1. FC Kaiserslautern beheimatet, welcher die Stadt und den "Betze" durch seine sportlichen Erfolge weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machte. Was aber nur der hart gesottene Fußballfan weiß ist, dass nur einen Steinwurf vom Betzenberg entfernt ein echtes Prachtstück der Stadionarchitektur steht. Der kleine Bruder des Betzenberg ist der Luftlinie nur etwa 400 Meter entfernte Erbsenberg, auf welchem sich das "Waldstadion am Erbsenberg" versteckt, die Heimat des VfR Kaiserslautern. Der "Verein für Rasenspiele" war jahrelang die Nummer zwei im Stadtgebiet und machte den großen "Roten Teufeln" vor allen Dingen in den 1950er Jahren mächtig Konkurrenz als beide Mannschaften Teil der Oberliga Südwest waren, damals die höchste Spielklasse.
Seit 1920 spielt man unter dem Namen VfR Kaiserslautern, die Ursprünge des Vereins gehen aber auf das Jahr 1906 zurück, weshalb diese Jahreszahl in den Annalen als Gründungsjahr geführt wird. Erster Stammverein ist der 1893 gegründete MTV Kaiserslautern, in dem 1906 eine eigenständige Fußballabteilung entstand. Diese spaltete sich bereits zwei Jahre später ab und wurde zum eigenständigen "FC Bayern 1906 Kaiserslautern". Im März 1920 fusionierte der "FC Bayern Kaiserslautern" dann mit der 1910 entstandenen "SpVgg 1910 Kaiserslautern" zum "VfR Kaiserslautern". Zu diesem Zeitpunkt gab es in der damals noch kurzen Vereinshistorie noch keine Berührungen mit dem Erbsenberg. Bis 1925 spielte man im Stadion Eselsfürth, im Nordosten der Stadt. Als dieses einer Radrennbahn weichen musste, bekam man einen neuen Sportplatz auf der Wormser Höhe zugeteilt. Das neue Gelände, ebenfalls im östlichen Kaiserslautern gelegen, wurde mit einem Spiel gegen den Karlsruher FV eingeweiht. 1936 beanspruchte dann das Militär das Areal und der VfR Kaiserslautern war erneut zum Umzug gezwungen und fand seine neue Heimat auf dem Erbsenberg. In einer Waldlichtung baute man das "Waldstadion am Erbsenberg", welches der Verein am 14. August 1938 mit einem erneuten Spiel gegen den Karlsruher FV eröffnen konnte, im Vorfeld des Eröffnungsspiels organisierten Vereinsmitgleiter des VfR einen Festzug vom Wiesenplatz in der Stadtmitte bis zum neuen Stadion und rührten so die Werbetrommel. Seit der Eröffnung steht auch die alte Holztribüne auf dem Erbsenberg, diese stand bereits zuvor auf der Wormser Höhe, wurde mit dem Abgang des VfR dort abmontiert und auf der Erbse wieder errichtet.
Wie der Betze thront auch der Erbsenberg über Kaiserslautern
Foto: VfR Kaiserslautern Vereinshomepage

Mit Ende des zweiten Weltkrieges gab es immer wieder Berührungspunkte mit dem großen Bruder, dem 1. FC Kaiserslautern, der immer die klare Nummer eins im Stadtgebiet war. In der Saison 1944/45 gab es für kurze Zeit eine Kriegsspielgemeinschaft Kaiserslautern, welche aus Spielern des VfR und den Roten Teufeln bestand. Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Gange und so bestritt die Spielgemeinschaft gerade einmal zwei Freundschaftsspiele. Nach Beendigung der Truppenkämpfe gingen beide Mannschaften wieder ihren eigenen Weg, nur der 1. FC Kaiserslautern hatte zunächst keine eigene Spielstätte mehr, da der Betzenberg nach Kriegsende vom französischen Militär beschlagnahmt wurde. Der VfR half seinem Lokalrivalen großzügig aus und so waren auch die Roten Teufel für ein halbes Jahr auf dem Erbsenberg beheimatet. Pflichtspiele gab es kurz nach Kriegsende noch keine, sodass der FCK nur Freundschaftsspiele auf der Erbse austrug.
Während die Roten Teufel mit Wiederaufnahme des Spielbetriebes der neu gegründeten höchstklassigen Oberliga zugeteilt wurden, spielte der VfR zunächst niederklassig. Trainiert wurden die Blau-Schwarzen in dieser Zeit nebenbei von einem gewissen Fritz Walter. Der Kapitän des FC Kaiserslautern führte den VfR in der Saison 1948/49 zur Meisterschaft der westpfälzischen Amateurliga, welches den Aufstieg in die erstklassige Oberliga zufolge hatte. Die Mannschaft konnte sich über die Jahre in der Spielklasse etablieren und wurde bis zur Auflösung im Jahr 1963 ein fester Bestandteil der Liga. Zwei Abstiege in den Spielzeiten 58/59 sowie 60/61 wurden jeweils mit dem sofortigen Wiederaufstieg schnell vergessen gemacht.
In der Oberliga Zeit kam es auch immer wieder zu direkten Duellen gegen den Primus der Stadt. Der VfR war gegen den FCK aber immer in der klaren Außenseiterrolle und so spricht die Statistik eindeutig für die Roten Teufel. Von den insgesamt 22 Partien in der Oberliga verlor der VfR Kaiserslautern insgesamt 20. Nur ein einziges mal wurde das Stadtderby gewonnen, am 28. Spieltag der Saison 1951/52 besiegte der VfR Kaiserslautern den FCK auf der Erbse mit 4:2. Dieser 23. März 1952 ging in die Gesichtsbücher der Erbsenkicker ein, war es doch bis heute der erste und letzte Erfolg gegen den FCK auf dem Erbsenberg (Anmerkung: Einen weiteren Sieg gegen die Roten Teufel feierte der VfR 1936 mit einem 2:0 auf der Wormserhöhe). Torschützen und vor allen Dingen Zuschauerzahlen aus dieser Zeit sucht man schon beinahe vergeblich. Auf dem Platz stürmte für den VfR aber der ehemalige deutsche und auch polnische Nationalspieler Ernst Otto Willimowski, der zwischen 1951 und 1955 auf dem Erbsenberg spielte. Der gebürtige Pole, der insgesamt neun Spiele für die deutsche Nationalelf bestritt und dabei 13 Tore schoss, drückte dem VfR Kaiserlautern seinen Stempel auf, sodass die Mannschaft zeitweise nur noch als Willimowski-Elf bezeichnet wurde.
Ein offizieller Zuschauerrekord des Waldstadion am Erbsenberg ist ebenso wenig überliefert, wie Zuschauerzahlen allgemein aus der Oberligazeit. Einzig als sich im August 1956 zum Höhepunkt der Feierlichkeiten des 50. Vereinsjubiläum eine Mannschaft aus Spielern der Oberliga-Lokalrivalen des VfR Kaiserslautern und 1. FC Kaiserslautern bildete und auf dem Erbsenberg in einem Freundschaftsspiel auf das niederländische Spitzenteam Fortuna Geelen traf, sollen 3.000 Menschen den 4:2 Sieg der "Kaiserslauterer Stadtauswahl" gesehen haben.
Die letzte Saison der Oberliga 1962/63 beendete man auf Tabellenplatz 13 und kam damit nicht in Frage eines der 16 Gründungsmitglieder der neu eingeführten Bundesliga zu werden. Stattdessen spielte man fortan in der neuen zweitklassigen Regionalliga Südwest, in derer ersten Saison man sich mit Platz sieben noch in der oberen Tabellenhälfte behaupten konnte. Schon das zweite Regionalligajahr beendete man mit dem Abstieg und dem Gang in die Drittklassigkeit. In der 1. Amateurliga Südwest etablierte man sich nun zumindest vorläufig und hatte zeitweise sogar die Möglichkeit auf die Regionalliga Rückkehr, daraus sollte aber nichts mehr werden. 1975 folgte der dann der Abstieg aus der 1. Amateurliga und der Beginn einer Abwärtsspirale, welche den VfR immer weiter in die Tiefen des Amateurfußballs zog. Die großen Fußballtage auf dem Erbsenberg gingen zu Ende, heute spielt der VfR Kaiserslautern in der siebtklassigen Landesliga und lag zum Zeitpunkt der unterbrochenen Saison 2020/21 auf Platz zwei und hatte damit Ambitionen auf einen Aufstieg in die Verbandsliga angemeldet.
Auch wenn die großen Zeiten des VfR Kaiserslautern gezählt scheinen, der Flair des Erbsenberg ist bis heute vorhanden und lässt sich schon beim Betreten der Anlage nicht abstreiten. 1959 ging das Gelände in das Vereinseigentum der Hausherren über, 1965 eröffnete man noch ein neues Vereinsheim, welches an die alte Holztribüne angeschlossen ist. Seit dem hat sich am Stadion und an der Tribüne aber nicht mehr viel verändert und das Waldstadion am Erbsenberg lässt sich damit heute als nostalgisch deklinieren. Zu Spitzenzeiten fanden 15.000 Menschen einen Platz auf dem Erbsenberg, heute ist das Fassungsvermögen auf 5.000 Zuschauer begrenzt. Es lassen sich noch Teile einer Aschelaufbahn erahnen, diese ist aber unbenutzbar, wodurch der Erbsenberg ein reines Fußballstadion ist. Vergebens sucht man eine Fluchtlichtanlage in dem Oval, welches neben der Holztribüne komplett von Stufentraversen umbaut ist. Vor allen Dingen auf der Gegengerade hat sich mittlerweile die Natur ein Stück des Stadions zurück erobert, trotzdem lässt sich der komplette Stadionumlauf noch vollständig begehen. Am 14. September 2020 hatte ich die Möglichkeit die Anlage auf dem Erbsenberg zu fotografieren, dabei entstanden bei wunderschönem Spätsommerwetter die folgenden Aufnahmen.

Die Eingangspforte des "Stadion - Erbsenberg"
Mit dem Torbogen verwachsen ist das "Speiserestaurant
Erbsenberg", welches an sechs Wochentagen gut bürgerliche
Küche anbietet
Der Blickfang des Stadions ist die Holztribüne
Die Holztribüne stand zuvor im Stadion auf der Wormser
Höhe, wo der VfR bis 1936 spielte
Auf dem Erbsenberg wurde die Tribüne auf einem
Sandstein-Fundament wieder errichtet
Schätzungsweise 700 Sitzplätze bietet die Tribüne
Die Plätze auf den Holzbänken sind teilweise nummeriert
Trotz des mittlerweile stattlichen Alters ist die Tribüne
immer noch in einem bemerkenswert gutem Zustand
Blick auf die Tribüne von einer der Kurven aus
Links wie rechts der Tribüne gibt es eine ausgebaute
Stufentraverse
Die Traversen auf der Hauptgerade sind gepflegt
Während die Gegengerade schon teilweise renaturiert ist
Der Stadionumlauf ist aber noch komplett begehbar
In einer der Kurven steht die Anzeigetafel des Stadions
Blick von einer der Eckfahnen auf die Tribüne
Ein letzter Blick in das Waldstadion am Erbsenberg

Dies war der siebte Teil unserer Serie über historische Fußballstadien, zuvor blickten wie bereits auf das mittlerweile abgerissene Stadion am Hermann-Löns-Weg in Solingen, das Röntgen Stadion in Remscheid, auf das Jahnstadion in Mönchengladbach, die Westkampfbahn in Düren, das Grotenburg-Stadion in Krefeld und zuletzt auf das Stadion Mittelwiese in Ruhla. Folgt mir bestenfalls auf Twitter und erfahrt dort sofort wenn ein neues Feature erscheint.

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