Dienstag, 23. Juli 2019

Groundhopping Sommerpause 2019

Ich bin kein großer Freund von Testspielen in der Sommerpause, ich komme lieber runter und sammle Kraft für die neue Saison 2019/20. Trotzdem waren die letzten eineinhalb Monate zu lang um ganz ohne Fußball auszukommen. Vier Spiele wurden dann doch besucht, auf welche ich hier kurz zurückblicken möchte.

#1 - 25. Juni 2019 - KSV Baunatal gg SV Wehen Wiesbaden - 1:8
Hessenpokal - Finale - Stadion Wetzlar, Wetzlar - 660 Zuschauer


Zugegeben, eigentlich war das Hessenpokal-Finale zwischen KSV Baunatal und Wehen Wiesbaden das letzte Pflichtspiel der alten Saison 2018/19, ursprünglich sollte das Spiel, wie alle anderen Finalespiele auch, Mitte Mai am "Tag der Amateure" ausgetragen werden. Wehen Wiesbaden war zu diesem Zeitpunkt aber mitten in der Relegation und machte den Aufstieg in die 2. Bundesliga klar, dadurch fand das Finale nun mitten in der Sommerpause statt. Beide Teams hatten gerade erst mit der Vorbereitung auf die neue Saison gestartet, da wartete gleich ein Spiel mit einem gewissen Prestige. Temperaturen um die 35°C verwandelten die Partie dann in einen echten Sommerkick.
Austragungsort war das Stadion Wetzlar, normalerweise sollte der Hessenligist aus Baunatal das Finale im eigenen Stadion austragen, auf Grund der Terminverlegung in den Juni war dies aber organisatorisch nicht möglich, woraufhin sich der Fußballverband entschied das Spiel auf neutralen Boden in Wetzlar auszutragen. Leider machte man sich keine Mühe neue Tickets und Programmhefte zu drucken, stattdessen gab man die bereits vorgedruckten "alten" Tickets mit dem nunmehr falschen Datum und Stadion aus. Der Anstoß war auf 19:00 Uhr angesetzt wurde aber kurzfristig eine Viertelstunde nach hinten verschoben, da ich ohnehin schon zeitig am Spielort angekommen war nutzte ich die Zeit um mir die schmucke Altstadt von Wetzlar inklusive dem Dom der Stadt an zugucken. Der Wetzlarer Dom liegt auf einem Hügel in Mitten der Altstadt und kann auch vom Stadion aus gesehen werden. Bespielt wird das Stadion hauptsächlich von der Frauenabteilung der FSV Hessen Wetzlar, Hauptnutzer sind allerdings Leichtathleten und auch American Football wird im Stadion gespielt.
Das Pokalfinale zum ungewöhnlichen Termin fand ohne großen Zuschauerzuspruch statt, unter den 660 Zuschauern befand sich ein großer Teil an Groundhoppern, organisierten Support gab es nur von einer kleinen Fangruppe aus Baunatal. Das Stadion Wetzlar besteht aus zwei Sitzplatztribünen, am Spieltag wurde aber nur eine geöffnet, der Rest der Spielstätte besteht aus Stehplätzen, womit es ein Kapazität von 8.000 Plätzen aufweist. Das Spiel auf dem Platz verlief relativ eintönig, Wiesbaden wurde seiner Favoritenrolle gerecht und schoss Baunatal mit 8:1 vom Platz. Am DFB Pokal werden aber beide Teams teilnehmen, da Wiesbaden als Zweitliga-Aufsteiger automatisch qualifiziert war rückte Baunatal in das DFB Pokal Teilnehmerfeld und wird in der ersten Runde gegen den VfL Bochum antreten, Wiesbaden bekommt es mit dem 1. FC Köln zu tun.

#2 - 9. Juli 2019 - SV Bergisch Gladbach 09 gg TuRU Düsseldorf - 3:2
Testspiel - Isotec-Sportpark, Bergisch Gladbach  - ca. 50 Zuschauer


Der SV Bergisch Gladbach 09 schaffte nach sechs Jahren in der Mittelrheinliga die Rückkehr in die Regionalliga West. Hier verbrachte der Deutsche Amateurmeister von 1953 bereits die Saison 2012/13, musste aber nach nur einem Jahr wieder den Abstieg verkraften. Etwas überraschend beendete man die letzte Saison als Meister der Mittelrheinliga und hielt damit den Aufstiegsfavorit Wegberg-Beeck in Schach. Damit bleibt die Belkaw-Arena weiterhin Regionalliga Spielort, nachdem hier zuletzt der TV Herkenrath seine Heimspiele in der vierten Liga ausgetragen hatte. Für den Stadtrivalen der 09ner ging das Projekt Regionalliga aber ziemlich in die Hose, abgeschlagener Tabellenletzter und leere Kassen standen am Ende einer katastrophalen Saison zu Buche. In Herkenrath löste man nun die erste und zweite Mannschaft auf und startet die neue Saison mit nur noch einem Team in der Kreisliga von vorne. Ein ähnliches Schicksal wird den finanziell besser ausgestatten SV Bergisch Gladbach 09 wohl nicht drohen, trotzdem wird man in der Regionalliga natürlich nur um den Klassenerhalt spielen können. In Vorbereitung auf die neue Saison spielte man ein Testspiel gegen TuRU Düsseldorf auf dem Kunstrasen des Isotec-Sportparks, dieser befindet sich direkt neben der Belkaw-Arena. In der letzten Meistersaison wichen die Bergisch Gladbacher häufig hierhin aus, um den Rasen des Stadions nicht noch mehr zu beanspruchen, für die Regionalligaspiele wird man nun natürlich wieder dauerhaft auf den Rasenplatz ziehen und durch den Wegfall des TV Herkenraths ist man nun auch wieder der einzige Hausherr der Belkaw-Arena.

#3 - 14. Juli 2019 - Rot-Weiß Oberhausen gg SC Fortuna Köln - 4:2
Testspiel - Sportplatz Walsdorf, Walsdorf  - 300 Zuschauer


Der SV Walsdorf feiert sein 50 jähriges Bestehen mit einer einwöchigen Sportwoche, in der zahlreiche Testspiele in dem kleinen Eifelort ausgetragen werden. Der heimische Verein selber spielte nie höher als Kreisliga, sodass großer Sport im Ort eher ein Fremdwort ist. Zum Auftakt der Sportwoche trafen auf dem Sportplatz in Walsdorf die beiden Regionalligisten Rot-Weiß Oberhausen und Fortuna Köln aufeinander. Bereits vier Wochen später sollten beide Mannschaften im Rahmen der Regionalliga West erneut aufeinander treffen, die Zusage für den Testspiel-Termin in Walsdorf hatten beide Vereine aber bereits gut ein halbes Jahr zuvor gegeben als Fortuna Köln noch in der 3. Liga spielte. Auch nach dem Abstieg der Fortuna hielten beide Teams an ihrer Zusage fest und so sahen 300 Zuschauer das Spiel der beiden Viertligisten auf dem Rasenplatz in Walsdorf. Offiziell leben 888 Menschen in der Ortsgemeinde der Vulkaneifel, "Hurra, das ganze Dorf ist da!" wurde aber nicht angestimmt. Der gastgebende Verein hatte sich viel Mühe gemacht und unter anderem ein großes Kuchenbuffet und eine Tombola aufgefahren. Nachdem man drei Wochen zuvor in Wetzlar noch 35 Grad im Schatten hatte, zeigte das Thermometer in der Eifel wieder kühle 15 Grad und ein starker Windzug machte den eingepackten Pullover auch nötig. Das Spiel zwischen Oberhausen und Köln war der Auftakt der Walsdorfer Sportwoche und gleichzeitig auch das Highlight der Feierlichkeiten zum 50 jährigen Vereinsgeburtstag. Der Rasenplatz im kleinen Eifelort kann durch einen Grashang überzeugen, auf der Kuppe befindet sich ein Parkplatz von welchem man einen guten Überblick über das Spielfeld bekommt. In jenem Grashang wurde einer kurzer Abschnitt mit einer kleinen überdachten Holztribüne versehen. Sonst gibt es keinen weiteren Ausbau, hinter einer Torseite befindet sich das Vereinsheim. Die andere Torseite und die Gegengerade sind für Zuschauer gar nicht erst zugänglich, da hier keine Bereiche freigelassen wurden und der Platz quasi mit der Seitenlinie auch endet.

#4 - 17. Juli 2019 - SC Fortuna Köln gg SSVg Velbert - 0:1
Testspiel - Bezirkssportanlage Chorweiler, Köln - 100 Zuschauer


Zum letzten Sommer-Test-Kick ging es ins Kölner Ghetto nach Chorweiler, in der dortigen Bezirkssportanlage wurde kurzfristig ein Spiel zwischen Fortuna Köln und der SSVg Velbert angesetzt, zunächst hätte die Partie in Velbert ausgetragen werden sollen, da es in der dortigen "Christopeit Sport Arena" zu einem Wasserrohrbruch kam musste man nach Chorweiler umziehen. Angesetzt wurde die Begegnung auf dem Rasenplatz, welcher normalerweise nicht von Fußballern bespielt werden. Die drei Chorweiler Kreisliga-Vereine spielen auf dem benachbarten Kunstrasenplatz, während auf dem Rasen üblicherweise Rugby oder Leichtathletik stattfindet. So war das Spiel zwischen der Fortuna und der SVVg aus Velbert eine der seltenen Möglichkeiten hier ein Spiel zu hoppen, also machte man sich auf den Weg nach Chorweiler und nahm die Begegnung eben mit. Die Anlage hat auf beiden Geraden einen Ausbau mit Stehstufen, welchen Zuschauern eine gute Möglichkeit gibt das Spiel zu verfolgen. Hinter den Toren ist jeweils kein Ausbau vorhanden, auch ein Vereinsheim oder ähnliches gibt es hier nicht, die Umkleiden für die Spieler befinden sich außerhalb der Anlage. In der Halbzeitpause hatte man die Möglichkeit einen kurzen Fußweg zum Bahnhof-Chorweiler zu machen und sich dort dann doch noch mit ein paar Kaltgetränken einzudecken. Also eher ein trostlose Veranstaltung und ein lauwarmer Kick der mit 0:1 für Velbert zu Ende ging. Ich war froh, dass bald darauf die Pflichtspielsaison wieder beginnen sollte und die Testspiel-Phase hinter mir lag.

Donnerstag, 11. Juli 2019

Zu Gast bei #01 - SC Brühl 06/45

Wenn man an die Stadt Brühl denkt kommt den meisten Menschen wohl als Erstes ein bekannter Freizeitpark in den Sinn, geschichtlich interessierte Zeitgenossen werden auch noch wissen, dass internationale Staatsgäste der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1949 und 1996 im Schloss Augustusburg von den damaligen Bundespräsidenten empfangen wurden. Das die Schlösserstadt Brühl aber auch Heimat eines über 110 Jahre alten Fußballvereins ist, haben außerhalb der Stadtgrenzen wahrscheinlich nur hartgesottene Fußballfans auf dem Schirm.
1906 wurde der erste Stammverein des heutigen Sport-Club Brühl 06/45 gegründet; um mehr über die Geschichte des Vereins zu erfahren, machte ich mich auf den Weg in den Rhein-Erft-Kreis. In einem Hinterhof in Zentrumsnähe befindet sich das Büro des 1. Vorsitzenden Joachim Tollens, ein ziemlich lockerer Mitmensch, dem seine Vereinsarbeit sichtlich Spaß macht. Schnell ist der Computer hochgefahren und eine Statistik-Tabelle geöffnet, die einen Überblick über die verschiedenen Saisonverläufe der Brühler bietet. Tollens hat den Posten des 1. Vorsitzenden seit 2016 inne, er wurde ohne Gegenstimme gewählt. "Ich war nicht schnell genug auf den Bäumen", sagt er selber über seine Wahl. Erst am 12.7.2004 wurde Tollens Vereinsmitglied, am Tag seines Vereinseintritts gab es eine Mitgliederversammlung auf welcher er gleich zum Schatzmeister gewählt wurde. Zuvor hatte der 1957 geborene Tollens mit dem Verein seiner Heimatstadt, wie er selbst sagt, "nichts am Hut." Ein Freund hatte ihn 2004 angesprochen und ihn darüber informiert, dass der Verein neue helfende Hände nötig hätte. Der spätere 1. Vorsitzende dachte dabei an kleine Helferdienste wie Bierbänke an Spieltagen auf- und wieder abbauen, stattdessen kam dann aber die schnelle Wahl in den Vorstand. Tollens bekleidete den Posten des Schatzmeisters anfänglich ein wenig ungewollt, rasch identifizierte er sich aber mit seinem Verein und stieg in der Vorstandshierarchie 2009 zunächst in den Posten des 2. Vorsitzenden auf, bevor er am 9.10.2014 das Amt des 1. Vorsitzenden auf Grund des Rücktritts seines Vorgängers Kurt Schallehn zunächst kommissarisch übernahm und seit 12.4.2016 das gewählte Oberhaupt des Vereins ist.
Die Geschichte des Fußballs in Brühl begann lange vor der Zeit von Tollens; 1906 kam es zur Gründung des ersten Fußballvereins auf Brühler Stadtgebiet. Unter dem Namen "Brühler SV 06" schaffte man nach dem Ersten Weltkrieg den zwischenzeitlichen Aufstieg in die damals zweitklassige Bezirksliga, nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten die Brühler in diese Spielkasse noch einmal zurück. Nach einigen Abstiegen kam es dann im Jahr 1960 zur ersten Fusion zweier Brühler Vereine, der "Brühler SV" vereinigte sich mit dem 1945 gegründeten "Brühler BC" zum "SC Brühl 06/45", die Jahreszahlen erinnern an die Gründung der beiden Stammvereine. Der Klub spielte seitdem erstmals unter dem noch heute gebräuchlichen Vereinsnamen und die Jahre nach der Fusion sollten die erfolgreichsten in der Brühler-Fußballgeschichte werden. Die in blau-gelb spielenden Brühler stiegen innerhalb kürzester Zeit von der Bezirksliga in die drittklassige Verbandsliga Mittelrhein auf. Wenn es nach dem damaligen 1. Vorsitzenden Robert Ehl gegangen wäre, sollte dies noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Ehl träumte sogar von Bundesliga-Fußball in der damals 42.000 Einwohner (heute 44.000) großen Stadt. In der Saison 1974/75 spielten die Schlossstädter dann tatsächlich eine Hauptrolle im Kampf um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Der SCB duellierte sich damals mit Bayer 04 Leverkusen um den Meistertitel der Verbandsliga und die damit verbundene Qualifikation zur Aufstiegsrunde für die 2. Liga. Co-Trainer der Brühler war damals ein gewisser Reiner Calmund, der in seiner Geburtsstadt nach einer kurzen Spieler- und Jugendtrainer Karriere bei der
Joachim Tollens und Heiner Gillmeister
im Schlossparkstadion
Spielvereinigung Frechen 1920 nun in Brühl erste ernsthafte Spuren in der Fußballwelt hinterließ, bevor er Jahre später beim damaligen Konkurrenten Leverkusen zur Legende wurde. Das entscheidende Spiel um den Meistertitel verlor der SC Brühl damals im Leverkusener "Ulrich-Haberland-Stadion" mit 2:1. Im Buch "Fußball im Kölner Land" über die Vereinsgeschichte der Brühler beschreibt Autor Heiner Gillmeister chaotische Szenen die sich auf und neben dem Platz abspielten. Die Brühler Ersatzbank wurde von Bayer-Anhängern mit Steinen beworfen und mit Stöcken attackiert, die Spieler wurden unter Polizeischutz in die Kabine gebracht. Die Brühler konnten deshalb ihr Wechselkontingent nicht voll ausschöpfen, in der siebten Minute der Nachspielzeit landete dann ein Weitschuss von der Mittelfeldlinie im Brühler Tor und ebnete der heutigen Werkself den Weg in die 2. Bundesliga. Für den SC Brühl blieb der Vizetitel und die damit verbundene Qualifikation zur Deutschen Amateur-Meisterschaft. Im einzigen überregionalen Pflichtspiel der SCB-Geschichte bekam man Viktoria Hamburg zugelost, das Hinspiel im heimischen Schlossparkstadion gewann man mit 3:2 vor 3.600 Zuschauern. Eine gute Quote für die Brühler, während der Ligaspiele kamen im Schnitt 1.500 Menschen ins Stadion. Zum Rückspiel nach Hamburg begleiteten dann nur eine handvoll Brühler ihre Mannschaft und sahen eine deutliche 4:0 Niederlage und das vorzeitige Ausscheiden aus der Deutschen Amateur-Meisterschaft. Das war der Startpunkt eines kontinuierlichen Abstiegs der Brühler Mannschaft, in die Nähe des Aufstiegs in den Profi-Fußball kam man nie wieder, stattdessen musste man nur drei Jahre nach der Vizemeisterschaft den Abstieg in die Landesliga verschmerzen. Da parallel die Oberliga Nordrhein gegründet wurde, waren die Brühler auf einen Schlag nur noch fünftklassig. Der ungewollte Doppelabstieg war ein Ergebnis langjähriger Misswirtschaft, mit ihren angestrebten Ambitionen hatte man sich in Brühl finanziell übernommen und der komplette Vorstand trat infolgedessen zurück. So mussten in den folgenden Jahren wieder kleinere Brötchen gebacken werden und wenig später folgte sogar der Gang in die Bezirksklasse, hier hatte man erstmals einen direkten Konkurrenten aus dem Stadtgebiet. Die Renault Deutschland AG ist einer der größten Arbeitergeber der Stadt, hat seit 1959 ihren Firmensitz in Brühl und gründete eine Betriebssportmannschaft, aus der 1977 der FC Renault Brühl entstand. Der Autobauer pushte sein Werksteam mit einem ordentlichen Budget, was den schnellen Aufstieg in die Bezirksliga zufolge hatte. Der neue Klub lief dem Traditionsverein den Rang ab, stand am Ende der Saison 1987/88 vor dem SCB in der Tabelle und war kurzfristig die neue Nummer eins im Stadtgebiet. Ein Jahr später stellte man die Weichen wieder gerade und sah die Renault Leute sogar aus der Liga absteigen. Die Stadtrivalität ging in der Saison 1990/91 aber in nächste Runde und wurde nicht nur auf dem Platz ausgetragen. Das Renault Team machte sich beim SC Brühl mit den Worten "Bei uns spielen die Brühler Jungen", nicht gerade beliebt. Die Aussage war ein bewusster Seitenhieb gegen den SCB, welcher seine Mannschaft seit Jahren hauptsächlich mit Spielern aus dem Umland bestückte. Angesichts dieser Worte ist es doch erstaunlich, dass sich 1994 beide Vereine zusammentaten und aus dem SC Brühl 06/45 der SC Renault Brühl wurde. Offiziell ließ man verlauten, dass durch die Fusion vor allem der Brühler Nachwuchs gestärkt werden solle. Als offenes Geheimnis galt aber, dass die Renault-Vorstandsetage höherklassigen Fußball in Brühl sehen wollte und den "neuen" Verein weiter mit großen Geldbeträgen unterstützte. Dies zeigte Erfolg, man schaffte zunächst den Sprung in die Landesliga und kehrte 1997 in die mittlerweile nur noch fünftklassige Verbandsliga zurück. Hier traf man mit Blau-Weiss Brühl später auch auf einen neuen Gegner aus dem Stadtgebiet. Die Blau-Weißen hatten einen gewaltigen Aufstieg hinter sich und schafften unter anderem durch den Sieg des Mittelrheinpokals im Jahr 2001 die Qualifikation für die Hauptrunde des DFB Pokal. Das Spiel von Blau-Weiß Brühl gegen den 1. FC Kaiserslautern darf getrost als wichtigstes Fußballspiel auf Brühler Stadtgebiet bezeichnet werden. Genauso schnell wie der Aufstieg folgte aber auch der Fall von Blau-Weiß, nach zwei Jahren in der Verbandsliga verschwand man wieder in den Niederungen der untersten Amateur-Ligen und löste sich 2009 auf. Der SC Renault Brühl hatte diese kleine Städterivalität als Sieger beendet. Die Bestrebungen von Sponsor und Namensgeber Renault sahen vor, dass die Gelb-Blauen von der Verbandsliga weiter bis in die drittklassige Regionalliga aufsteigen sollten, ein unrealistisches Unterfangen wie später auch der Sponsor zugeben musste und die finanzielle Unterstützung daraufhin stark zurückfuhr. Die Folge war der direkte Abstieg aus der Verbandsliga zum 100-jährigen Vereinsbestehen im Jahr 2006. Als man zwei Jahre später wieder den Aufstieg schaffte, entschloss man sich Renault aus seinem Teamnamen zu streichen, mit der Hoffnung so für neue Sponsoren interessanter zu werden. Der damalige Brühler Bürgermeister und Vereinsmitglied Michael Kreuzberg führte kurze Verhandlungen mit dem Autokonzern, so kehrte der Verein zu seinem alten Namen zurück und heißt nun wieder "SC Brühl 06/45". Als Trikotsponsor blieb Renault dem Team noch bis Oktober 2017 erhalten, das komplette Sponsoring der Renault AG lief im Juni 2018 aus. Seit der Saison 2015/16 ist der SC Brühl wieder Teil des Landesliga und wechselt hier als eines der "Grenzteams" in unregelmäßigen Abständen die Staffel. Nach zwei Jahren in der Kölner Staffel, ist man zu Beginn der neuen Saison 2019/20 wieder Teil der Aachener Gruppe im Westen des Fußballverbandes Mittelrhein.
Nachdem wir im Büro von Joachim Tollens das detaillierte Gespräch über die Vereinsgeschichte abgeschlossen hatten, folgte ein kurzer Fußweg in die Heimspielstätte der Brühler. Das Schlossparkstadion ist Teil des Schloss Augustusburg, quasi mit Eröffnung der Spielstätte im Jahr 1953 ist der SCB hier Hausherr. Die vorherigen Plätze an der Liblarer- und Vochemer Straße sind heute nicht mehr vorhanden, erzählt Tollens. Bis 1994 war die Stadt Brühl nur Pächter des Schlossparkstadions, dann kaufte man dem Land NRW die Spielstätte für 1,2 Millionen D-Mark ab. Vorgabe des vorherigen Eigentümers war, dass die Spielstätte ausschließlich als reine Sportanlage genutzt werden darf und auch eine Änderung des Gesamterscheinungsbildes dürfe es nicht geben, da der gesamte Schlosspark seit 1984
Lukas Podolski und der 1. FC Köln
sind gern gesehene Gäste in Brühl
Foto: Vereinsarchiv
zu den UNESCO-Welterbestätten zählt. Als das Schlossparkstadion zwischen 2008 und 2009 grundsaniert wurde, geschah dies in enger Absprache mit der Denkmalschutzbehörde. Tollens weiß noch wie der Antrag auf eine blaue Tartanbahn abgelehnt wurde und auch die neue Flutlichtanlage nur eine bestimmte Höhe haben durfte. Mit welchem Spiel das Stadion 1953 eröffnet wurde ist nicht 100% überliefert, die Stadt Brühl spricht auf ihrer Homepage von einem Spiel des 1. FC Köln gegen eine Brühler Stadtauswahl, die Statistik-Sammlung in Tollens Büro wiederspricht dieser Behauptung allerdings. Sicher überliefert sind aber zahlreiche Testspiele, welche der 1. FC Köln über die Jahre in Brühl absolvierte. 2004 schoss hier ein junger Lukas Podolski unter anderem ein Tor für die Kölner. Tollens erinnert sich gerne an das kurzfristig angesetzte Testspiel 2012, als der FC händeringend nach einem Gegner suchte und eine Anfrage nach Brühl schickte, keine zwei Wochen später standen die Geißböcke im Schlossparkstadion auf dem Rasen. Der damalige Kölner Trainer Holger Stanislawski nach dem Spiel auf die Frage wie er den SC Brühl gesehen hat: "Nicht schlechter als meine Mannschaft." Ihr gutes Herz zeigten der SC Brühl und der 1. FC Köln im Jahr 1993 bei einem Benefizspiel für einen Brühler Spieler, welcher einen Schlaganfall erlitten hatte, alle Einnahmen in Höhe von 19.000 D-Mark wurden dem erkrankten Spieler zur Verfügung gestellt.
Der SC Brühl ist bis heute eine große Fußball-Familie, "Spieler fühlen sich bei uns zu Hause", so Tollens und erzählt unter anderem von Lukas Rösch. Gebürtig aus Baden-Württemberg stieß Rösch 2013 aufgrund eines Studiums in Köln zum Brühler Verein und fand hier seine neue Heimat. In der Vereinsgeschichte verewigte sich Rösch spätestens 2016, als er die Vereinshymne "Schlossstädter vor!" (Klick) dichtete und gemeinsam mit Teamkollegen einsang. 2018 wechselte Rösch zum TuS Erndtebrück in die Regionalliga, bliebt seinem alten Verein aber verbunden. Als ich im Juni 2019 ein Spiel im Schlossparkstadion besuchte, stand Rösch hinter dem Grill und bereitete die Stadionwurst für seinen ehemaligen Verein zu. Laut Tollens bezeichnet sich Rösch selbst als "Brühler Jung". Sportliche Ziele werden unter dem Vorsitz von Tollens, welcher an Spieltagen im Kassenhäuschen sitzt, keine mehr ausgegeben, "das ist der Mannschaft selber überlassen" so El Presidente, wie Tollens vereinsintern genannt wird. Nur eines ist dem Vorsitzenden wichtig, die Spieler sollen Lust und Spaß am Fußball haben und damit dies auch so bleibt, macht er mit dem Team auch immer wieder kleinere Ausflüge und stärkt so den Zusammenhalt und das Teamgefühl. Abstecher wie beispielsweise zur TV-Sendung "100% Bundesliga" kommen im Team sehr gut an und unterstreichen das gute Vereinsleben, welches in Zukunft noch größer werden wird. Zur neuen Saison 2019/20 startet der SC Brühl auch mit einer zweiten Mannschaft in der Kreisliga und bietet somit neuen Spielern die Chance Teil der Geschichte des "SC Brühl 06/45" zu werden. Die Historie der Schlossstädter wird also auch in Zukunft weitergehen.


Fotoimpressionen des Brühler Schlossparkstadions, aufgenommen am 2. Juli 2019


Das im Artikel angesprochene Buch "Fußball im Kölner Land - Die Geschichte des SC Brühl" von Autor Heiner Gillmeister kann über Amazon erworben werden.


*Amazon Partner Link