Sonntag, 22. November 2020

Nordschleife - Ein Mythos in der Eifel

Brünnchen, Pflanzgarten, Kesselchen, Karussell, Steilstrecke, Fuchsröhre, Adenauer Forst. Eine Auflistung von Streckenabschnitten bei dem jedem Motorsport-Fan das Wasser im Munde zusammenlaufen wird. Es geht um "den Ring", "die grüne Hölle", die "Nordschleife" des Nürburgrings mitten in der Eifel. 20,892 Kilometer, offiziell 73 Kurven und ein Höhenunterschied von knapp 300 Metern machen die Runde nicht nur zur längsten Rennstrecke der Welt, über die Jahre seit der Eröffnung am 18. Juni 1927 entwickelte sich die Nordschleife zu einem echten Mythos und hat sich längst in sämtliche Sport-Historienbücher eingetragen.
Die Idee zum Bau einer permanenten Rennstrecke in der Eifel ging auf das seit 1922 ausgerichtete "Eifelrennen" zurück, die Teilnehmer fuhren damals eine 33 Kilometerschleife auf öffentlichen Straßen zwischen Nideggen und Heimbach. Die Passage der Ortschaften im Renntempo brachte immer wieder gefährliche Situation mit sich und war der Hauptgrund, das Rennen zukünftig auf einer abgeschlossenen Rennstrecke auszutragen. 1925 begannen 3000 Arbeiter und schufen innerhalb von zwei Jahren die heute weltberühmte Nordschleife. Der Ursprungsversion der „Gebirgs-, Renn- und Prüfungsstrecke“ war bis 1982 noch 28 Kilometer lang, eröffnet wurde die Nordschleife am 18. Juni 1927 mit dem Eifelrennen für Motorräder, einen Tag später fuhren dann auch die Automobile ihr erstes Rennen in der Eifel aus. Schon seit der Eröffnung ist es ebenfalls möglich, die Strecke mit seinem Privatwagen zu befahren, schon im Eröffnungsjahr konnte Jedermann gegen eine Gebühr die Rennstrecke befahren. Heutzutage sind diese Touristenfahrten die Haupteinnahmequelle des Nürburgrings.
Den "Mythos Nordschleife" macht auch die unberechenbare Gefährlichkeit der Strecke aus, bereits 1928 kam es während des Großen Preises von Deutschland zum ersten tödlichen Unfall, bis heute sollen hier mehr als 140 Menschen ihr Leben gelassen haben. Durch die stetige Weiterentwicklung der immer schneller werdenden Autos geriet die Nordschleife mehr und mehr in die Kritik und führte im Jahr 1970 sogar zu einem Boykott der Formel-1 Fahrer. Die Königsklasse der Autofahrer wollten die Verantwortlichen aber unbedingt weiter in der Eifel haben und so investierte man einen zweistelligen Millionen Betrag in die Entschärfung der Rennstrecke, unter anderem wurden bei den Umbaumaßnahmen erstmals Curbs auf der Nordschleife installiert. Die Formel-1 kehrte daraufhin tatsächlich in die Eifel zurück, der wohl bekannteste Unfall auf der Nordschleife brachte dann aber das endgültige Aus für Formel-1 Fahrzeuge in der grünen Hölle. Niki Lauda verunfallte während des Grand Prix 1976 schwer und seit dem fanden auf der Ursprungsversion der Nordschleife keine Formel-1 Rennen mehr statt. Man wollte die Rennserie aber unbedingt in der Eifel haben und begann so mit dem Bau einer eigenen Grand Prix Strecke, welche die Norschleife auf ihre heutigen 20,892 Kilometer einkürzte. Mit Eröffnung der Grand Prix Strecke im Jahr 1984 fanden immer weniger Rennen auf der Schleife statt, die Profi-Rennserien wichen allesamt auf die neu eröffnete, heute 5,148 Kilometer lange Grand Prix Strecke aus. Der Nordschleife blieb größtenteils nur Breiten- und Amateursportveranstaltungen und natürlich die sehr beliebten Touristenfahrten. Der alljährliche Saisonhöhepunkt ist aber das 24 Stunden Rennen, welches auf der 25,378 km langen Kombination von Nordschleife und Grand Prix Strecke ausgefahren wird. Dazu finden zehn mal jährlich mehrstündige VLN (mittlerweile NLS) Rennen satt, welche ebenfalls die Kombination aus Schleife und GP Strecke benutzen. Unregelmäßige Rennen kleiner Veranstalter beschränken sich zumeist auf die reine Nordschleife. Zuletzt gab es immer wieder Gerüchte über ein eventuelles Nordschleifen-Comeback der DTM, die Deutsche Tourenwagen Serie  trug von 1988 bis 1993 auf der großen Eifelrunde einen Renntag aus.
Historisch bleibt die Nordschleife ohnehin, an dem Denkmal kann nicht gerüttelt werden. Allein die verschiedenen Streckenabschnitte mit ihren Beinamen (siehe Tabelle oben rechts) prägen bis heute das Bild der einzigartigen Rennstrecke. Jeder Abschnitt hat seine eigene Geschichte, die Fuchsröhre erhielt ihren Namen beispielsweise, weil sich während der Bauarbeiten dort ein Fuchs in einer Drainageröhre versteckte und den Bauarbeitern die Arbeit erschwerte. Am Galgenkopf war die ehemalige Richtstätte und der Galgen der Grafen von Nürburg. Einige Abschnitte wurden auch Legenden der Nordschleife gewidmet, so wurde der Pflanzgarten II in Stefan-Bellof-S umbenannt. Bellof galt als einer der talentiertesten Autorennfahrer der Geschichte und fuhr 1983 einen unglaublichen Rundrekord und war bis 2018 der einzige Fahrer welcher die Nordschleife mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 200 km/h zurücklegte. Das Caracciola-Karussell ist nach Rudolf Caracciola benannt, welcher 1927 das erste auf der Nordschleife ausgetragene Eifelrennen gewann.
Nicht nur Autofahrer kommen an der Rennstrecke auf ihre Kosten, jedes Wochenende pilgern zahlreiche Schaulustige an die verschiedenen Streckenabschnitte und gucken sich die Speedjunkies auf der Strecke an. Nicht selten sieht man dabei menschliches Schicksal, wenn ein Touristenfahrer mal wieder seine Privatkarre in eine der Leitplanken gesetzt hat. Ein Ausflug lohnt sich immer, irgendwas ist auf der Nordschleife immer los. Selbst während des Corona-Lockdown-Lights Ende 2020 ging der Betrieb wie selbstverständlich weiter und lockte die Touristenfahrer in großer Masse in die Eifel. Der Mythos Nordschleife, er lebt!

Die grüne Hölle im Herbst 2020
Abschnitt Klostertal in Richtung Karussell
Adenauer Forst
Blick auf die Nürburg (oben Links)
Einfahrt Klostertal in Richtung Steilstrecke
Steilstrecke wäre hier links ab...
... und gilt heute als historischer Teil der Nordschleife
ist aber schon seit Jahren nicht mehr befahren wurden
Wippermann
Wippermann auf Grund der zahlreichen Bodenwellen,
die mittlerweile aber lange entschärft wurden
Pflanzgarten
Wehrseifen mit Blick auf Adenau
Einfahrt Brünnchen
Ausfahrt Brünnchen
Mit dem direkt anliegenden Parkplatz der
Zuschauer-Hotspot der Runde
Die Nordschleife lässt sich zu Fuß zum größten Teil direkt
an der Rennstrecke umrunden
Streckenposten haben ein wachsamen Blick auf die
Touristenfahrer

Die Fotos entstanden während verschiedenen Besuchen auf der Nordschleife im November 2020 und wurden von mir hier in willkürlicher Reihenfolge veröffentlicht

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